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Die Kraft der Brennnesselfaser

28.02.2024

Wer kennt sie nicht, die Pflanze mit den gezackten Blättern, die auf der Haut brennt. Die Brennnessel wächst fast überall auf der Welt. Diverse Brennnesselarten gehören zu den ältesten Nutzpflanzen. Die prominenteste wird Ramie genannt und ist auch unter dem Namen China Grass bekannt. In China wird sie seit 3000 Jahren angebaut. Auch die Nilgirinessel, die im Himalaya, in Myanmar und Java beheimatet ist und die Sibirische Hanfnessel (Bild rechts) mit ihren langen Brennhaaren, werden für die Textilherstellung eingesetzt. In Europa wurde die grosse Brennnessel Urtica dioica (Bild links) für die Herstellung von Stoffen bereits im Mittelalter verwendet. Aus der zugfesten Faser wurden Segeltücher, Seile und Kleider gefertigt. Seit den 1990er Jahren werden die Fasern der Fasernessel Urtica dioica L. convar. fibra als nachhaltige Rohstoffe in der Textilindustrie verwendet. Die Fasernessel ist eine Züchtung der Urtica dioica, die einen erhöhten Faseranteil besitzt. Vorteilhaft am Anbau dieser Züchtung und allgemein am Anbau aller Bastfaserarten ist der Wegfall von künstlicher Bewässerung und Düngemittel.

 

 

Im Vergleich mit tierischen Fasern sind die Brennnesselfasern mit bis 300 Millimetern Länge und 40 bis 50 Mikrometer im Durchmesser relativ lang und dick. Werden die Fasern jedoch mit den 600 bis 800 Millimeter langen Flachsfasern oder den bis zu 2 Meter langen Hanffasern verglichen, sind sie eher kurz. Die ovalen bis flachen Fasern sind fein, sehr weich und reissfest. Zur Fasergewinnung wird der Stängel der Brennnessel oberhalb der Erde abgeschnitten und nach einer Trocknungsphase gebrochen. Dabei wird das Holz im Stängel von den Fasergruppen getrennt. Dies geschieht von Hand oder mit mechanischen Sieben, Schüttler oder Windsichten. Danach wird die Nesselfaser von weiteren Holz-, Rindenstücken und Staub mit Hilfe von nasschemischen Aufschlussprozessen, Ultraschall- oder Dampfdruckaufschluss gesäubert. Am Ende des Prozesses entstehen Faserflocken, die in Ballen gepresst und in die Spinnerei transportiert werden. Mit der Streichgarntechnologie oder dem Open End Spinnverfahren werden die Nesselfasern zum Garn verarbeitet. Mit dem Aufbereiten der Nesselfasern können Garne mit hellen, natürlichen Beigetönen entstehen.

 

 

Im versponnenen Zustand sind Nesselfasern strapazierfähig und zugleich geschmeidig und glänzend. Garne aus Brennnesseln besitzen einen ähnlichen Griff wie Leinen. Darüber hinaus sind sie besonders saugfähig und atmungsaktiv. Wie auch die Hanffasern sind die Nesselfasern im Innern teilweise hohl und mit Luft gefüllt, was eine isolierende und temperaturregulierende Wirkung mit sich bringt. Garne aus Nesselfasern können als Alternative zur Baumwolle verstrickt werden. Im Sommer ist die Faser kühlend und fühlt sich angenehm glatt und sanft auf der Haut an. Oft wird die Brennnesselfaser aber auch mit Baumwolle und anderen Bastfasern zusammen versponnen. Dabei übernimmt die Faser der brennenden Nessel die Funktion, dem Garn Stabilität, Langlebigkeit und eine bewegte Oberfläche zu verleihen. Wie Baumwolle und andere Bastfasern ist auch die Brennnesselfaser nicht elastisch.

 

 

Quellen

Materialarchiv 2024, Brennnesselfasern, https://materialarchiv.ch/de/ma:material_1697?type=all&n=Grundlagen, 19. 01. 2024.

Brennnessel-Textil, Verarbeitung, https://www.brennnessel-textil.de/2015/10/textil/, 23.01.2024.

 

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