Seide ist keine Faser, die wächst aber auch keine Faser, die vom Menschen künstlich produziert wird. Wie entsteht das glänzende, sanfte Material, dass bereits seit 5.000 Jahren zu Textilien verarbeitet wird? Die Textilfaser Seide wird aus den Kokons von Seidenraupen gewonnen. Diese dienen den Raupen dazu, ihre Metamorphose zum Falter oder Nachtschmetterling zu durchlaufen. Die Raupen spinnen ihre Kokons aus einem bis zu 1,5 Kilometer langen, matten Faden: dem Grège. Ein Seidenfaden besteht aus zwei Fibroinfäden, die mit dem Seidenleim Sericin zusammengeklebt sind. Das Fibroin und Sericin wird im Körper der Raupe produziert. Sobald die Flüssigkeiten aus dem Körper der Raupe der Luft ausgesetzt sind, verfestigen sie sich. Die Seidenfäden sind goldgelb bis ocker farbig und haben eine unregelmässige Struktur. Werden sie gefärbt, entstehen intensive und strahlende Farbtöne.
Tussahseide
Die Tussahseide gehört zu den Wildseiden. Für ihre Produktion werden Seidenkokons von nicht gezüchteten Tieren verwendet, aus denen die Schmetterlinge bereits geschlüpft sind. Dazu wird die äusserste Schicht der Kokons entfernt. Um den Seidenfaden abzurollen werden die Kokons gekocht, was den Seidenleim löst. Bei der Wildseide lässt sich das Sericin nur schwer entfernen, was die Thussahseide in der Haptik etwas steifer und matter macht als die Maulbeerseide. Wildseide wird mit Merino Wolle, Kaschmir, Mohair und Baumwolle zu qualitativ hochwertigen Garnen versponnen.
Maulbeerseide
Die Maulbeerseide wird von der gezüchteten Seidenraupen Art Bombyx mori gewonnen (Abbildung rechts). Diese Seidenraupen fressen Blätter des Maulbeerbaums (Abbildung links), wodurch sie ihren Namen erhalten. Heute wird die Bombyx mori Art vor allem in China gezüchtet. Der Maulbeerseidenfaden ist im Vergleich mit dem Thussahseidenfaden glänzender, feiner und hat eine regelmässige Struktur. Der Grège ist einfacher abzuwickeln als bei der Wildseide und ist nach dem Entfernen des Seidenleims beinahe weiss.
Die Seidenraupen kommen nicht dazu, den Seidenfaden zu zerreissen, denn die Kokons werden nach dem Spinnprozess der Raupe mit Heissluft getrocknet, wodurch die Raupen absterben. So können bis zu 1.500 m Seidenfaden ohne Unterbruch abgespult werden. Im Durchschnitt erzeugt ein einzelner Kokon bis zu 2.500 m Seidenfaden. Diese Seide wird wegen dem Abwicklungsprozess auch Haspelseide genannt.
Schappeseide
Die weiche Schappeseide bezeichnet eine leicht glänzende Seide, welche aus den Abfällen der Maulbeerseiden-Produktion besteht. Weil die Seidenproduktion sehr aufwendig und teuer ist, bemühen sich die Seidenhersteller alle Reste, die beim Abhaspeln der Kokons entstehen, wiederzuverwerten. Die Schappeseide besteht demnach aus den Überresten der bereits abgewickelten und unregelmässigen Schichten des Kokons. Um aus diesen Resten einen Seidenfaden zu produzieren, wird das Kammgarnverfahren eingesetzt. Das Rohmaterial wird gereinigt, ausgekämmt und zu Kammzügen zusammengelegt. Danach wird es zum Vorgarn verzogen.
Bourretteseide
Bourretteseide wiederum wird aus den Abfällen der Schappeseiden-Produktion gewonnen. Die Bourretteseide gilt gegenüber den anderen Seidenarten als minderwertig. Sie ist matt und rau, denn die 1 bis 5 cm langen Fasern lassen sich anders als die Maulbeerseide und die Schappeseide nicht vollständig vom Seidenleim befreien und haben deshalb eine unregelmässige und vernarbte Struktur. In ihrer Haptik erinnert die Bourretteseide an Leinen, jedoch ist sie voluminöser und strapazierfähiger als andere Seiden und wärmt dazu gut. In der ayurvedischen Medizin wird die Bourretteseide öfters verwendet, weil die Fasern durch den hohen Anteil an Seidenleim eine entzündungshemmende Wirkung mit sich bringen.
Die Seide in Handstrickgarnen
In unseren Handstrickgarnen können alle Seidenarten vorgefunden werden. Eine Bouretteseide kann zum Beispiel für einen hohen Tragekomfort mit weiteren Fasern versponnen werden. Die Schappeseide und die Maulbeerseide findet ihren Einsatz bei der Herstellung von flauschigen Mohairgarnen, die einen reissfesten und glänzenden Zwirn benötigen oder als Maschengarne verstrickt werden. Alle Seidenarten vermögen es, einem Garn Glanz und Weichheit zu verleihen und können eingesetzt werden, wenn ein hochwertiger, reissfester und gut zu färbender Faden benötigt wird. Die hochwertigen Seidenfasern, welche wir in unseren Garnen verwenden, stammen aus China.
Stricken mit Seide
Ein 100 % Seidengarn ist nicht elastisch, erzeugt aber einen geschmeidigen und fliessenden Strick. Seide fällt besonders gut und eignet sich um lange Pullover, Kleider oder Tops herzustellen, die einen lockeren und leichten Sitz benötigen.
Der Glanz von Seide zusammen mit seiner sanften Oberfläche verleiht einem Strickstück oder Häkelteil eine unüberseh- und fühlbare Hochwertigkeit. Seide ist sehr angenehm direkt auf der Haut zu tragen und ist vor allem im Sommer sanft und kühlend.
Um Seidengarne leicht zu verarbeiten, eignen sich besonders Bambus- oder Metallnadeln. Die leicht rutschigen Oberflächen der Nadeln helfen mit, das nicht dehnbare Garn über die Nadeln gleiten zu lassen.
Quellen
Material Archiv 2022, Bouretteseide, Schappeseide (aufgerufen am 31.8.2023).
Hessnatur 2022, Seide, (aufgerufen am 22.6.2023).